Mit einem Indexwert im November von 68 Punkten kommt im ICT-Fachhandel Schweiz keine Weihnachtsstimmung auf. Das Jahr 2016 setzt seinen eher ernüchternden Trend für den Gesamtmarkt aller ICT-Reseller leider fort. Die Gesamtlücke zum Vorjahr vergrössert sich damit weiter auf -20%, nachdem sie im Oktober noch bei -18% war.  Als Trendverstärker sind 9 Faktoren zu beobachten, welche auch weiter dafür sorgen, dass die Karten für den Reseller immer noch neu gemischt werden.

Im Grossen und Ganzen sind alle Sortimentsbereiche mehr oder weniger stark betroffen. Ausreisser gibt es keine. Einzig interessant ist, dass sich die seit 2014 zu beobachtende Sortimentsverschiebung nicht fortsetzt. Mit einem Umsatzanteil von rund 35% sind die Computer nun seit gut 12 Monaten stabil und haben wohl ein neues Plateau erreicht. Früher hatte der Verkauf von Computern über 42% Anteil am Handelsumsatz beim Reseller.  Die Computer-Sortimentsbereiche kommen nun auf rund 25% Umsatzanteil und das Rand- und Ergänzungssortiment konnte sich von 2014 (34%) nun auf 40% steigern. Nach einer Phase der schrittweisen Veränderung ist nun eine neue Struktur zu erkennen.

ICT Reseller Index November 2016 / Schweiz Gesamt

Überraschenderweise geht es vielen ICT-Resellern trotzdem sehr gut und die Arbeitsbelastung ist zum Teil sehr hoch. Auf der anderen Seite reduzieren aber auch eine Reihe von Resellern deutlich ihre Handelsaktivitäten, bzw. hören ganz auf, sich mit dem Handel von Produkten zu beschäftigen. Der im Schweizer Fachhandel messbare Gesamtrückgang wird also durch eine Konsolidierung auf weniger, aber grössere Händler vollzogen, so wie es viele reifere Branchen bereits vorgemacht haben. Diese Verdrängung von Kleinen durch immer Grössere wird wohl auch in 2017 noch weiter gehen. Offen ist, wo der Absatz-Umsatz-Boden für das Gesamthandelsvolumen im ICT-Produktmarkt für Fachhändler sein wird und damit, wie viele grössere oder spezialisierte ICT-Reseller übrig bleiben können.

Diese 9 Faktoren sorgen für eine Neuordnung der Spielregeln

Als Trend-Verstärker und noch ohne absehbares Ende sind die folgenden 9-Faktoren zu beobachten, die alle von aussen auf den ICT-Reseller einwirken:

  1. Produkt-Verschiebung
    Was früher Server machten, können heute PCs. Was früher PCs konnten, machen heute Notebooks. Was früher Notebooks konnten, machen heute Tablets oder sogar Smartphones und was früher Handys konnten, machen heute Wearables und Uhren. Die steigende Rechenleistung macht es möglich und die Produkte werden immer noch kleiner, billiger und besser.
  2. Funktions-Integration
    Drucker sind heute auch Scanner sowie WLAN-fähig. Handys sind nun fast zu 100% Smartphones mit Kamera, Game- und Online-Plattform sowie Wecker und Taschenlampe. Tablets und Notebooks sind fast vollwertige Arbeitsplätze, die von vielen Firmen auch als solche akzeptiert werden (bring your own device). Und auch diese Geräte werden, trotz zusätzlichen Funktionen, immer kleiner, billiger und besser.
  3. Neue Geschäftsmodelle
    Statt am Verkauf von Produkten wird am Service verdient – u.a. als Cloud Anbieter. Andere verdienen als Druckeranbieter an den Verbrauchsmaterialien wie auch über direkte oder indirekte Mitgliedsgebühren in Netzwerken (z.B. Google, Facebook).
  4. Globalisierung:
    Viele Konsumenten haben spätestens nach dem Franken-Schock am 15. Januar 2015 auch einmal Preise und Kaufprozesse bei ausländischen Anbietern ausprobiert. Viele haben gute Erfahrungen gemacht und viele ausländische Hersteller haben den Schweizer Markt für sich entdeckt.
  5. Online-statt-offline
    E-Commerce ist inzwischen nicht mehr exotisch und die Konsumenten, aber auch professionelle Einkäufer werden immer mutiger, auch komplexere und physisch grössere Artikel online zu bestellen.
  6. Preis-Ski-Piste
    Auch wenn alle spätestens seit der Pleite von PRAKTIKER Baumärkte wissen müssten, dass Rabatt-Schlachten keine Gewinner haben, nimmt die Frequenz und Heftigkeit von Rabatt-Tagen und Aktionen enorm zu. Selbst ohne Rabatt haben ICT-Reseller kaum noch Marge. Am Cyber-Monday müssen jedoch nochmals 20% Rabatt gegeben werden, um überhaupt etwas zu verkaufen. Die Käufer erwarten deshalb solche Aktionen und selbst Aussagen wie „nur heute“ oder „nur für kurze Zeit“ werden als Ankündigung für noch tiefere Preise interpretiert.
  7. Kaufverzögerung
    Wenn die technologische Entwicklung in 6 Monatszyklen neue, bessere und billigere Produkte serviert, und die installierten Produkte ihren Dienst zumindest halbwegs gut tun, lohnt sich das Zuwarten mit einem Kauf. Investitionen werden verschoben, Entscheidungsprozesse verlieren ihren Druck.
  8. Hersteller-Vertikalisierung
    Die noch bis auf weiteres zunehmende generelle Vernetzung führt zu immer mehr und besseren Kontakten der Hersteller mit den Endverbrauchern und Nutzern. Der Schritt zu Direktgeschäften ist für viele Hersteller bereits in den Strategien enthalten, wenn sie es nicht jetzt schon versuchen oder bereits tun. Dabei werden vermehrt auch kleinere Kunden und Aufträge direkt angestossen und abgewickelt. Distributoren und ICT-Reseller werden zunehmend auf Retouren-Logistik und Vor-Ort-Service reduziert.
  9. Fachhandel wird zum Vertrauenspartner
    Preisfokussierte und kurzfristig handelnde Kunden, die Produkte in einer einfachen, nicht vernetzten Basiskonfiguration brauchen, werden nicht mehr zum ICT-Reseller kommen. Kunden mit Bedarf an Qualität, Kompetenz und Lösung von Komplexität werden aber weiter den ICT-Reseller aufsuchen.

Die Spielregeln, aber auch das Verhalten der Spieler und die Spielfiguren haben sich in den letzten 5 Jahren bereits stark verändert und werden sich noch weiter verändern. Wesentliche Treiber sind Faktoren, bei denen der Schweizer ICT-Reseller lediglich passiv ist und auf die er reagieren muss. Viele dieser neuen Spielregeln bergen jedoch spannende und sehr lukrative neue Geschäftsmöglichkeiten. Jeder einzelne ICT-Reseller muss sich aber darüber im Klaren sein und sich selber die Karten legen, was und wie er zukünftig Geschäfte betreiben möchte.

Thomas Czekala, Verwaltungsrat ProSeller AGThomas Czekala
Verwaltungsrat ProSeller AG

Bericht auf IT-Markt
Bericht auf ce-today
Bericht auf inside-channels.ch

 

Über den Autor: Thomas Czekala ist Partner, Gesellschafter und Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat zudem Mandate verschiedener anderer Firmen im Umfeld von Digitalisierung, Marktplätzen und weiteren innovativen Trends. Zusammen mit dem ProSeller-Team baut er für Kunden neue Marktplätze auf und arbeitet an der Weiterentwicklung des firmeneigenen ProSeller B2B E-Commerce-Marktplatzes auf Concertopro.ch, der inzwischen ein jährliches Einkaufsvolumen von über 1,5 Milliarden Franken verarbeitet. Er berät und hält Vorträge zu Fragen der Digitalisierung und Transformation. Als zertifizierter SAFe 4 Agilist und ehemaliger Manager und Gesellschafter der Scout24-Gruppe beherrscht er die modernen Projektmanagement- und Führungsmethoden im unsicheren Innovationsumfeld und kann auf ein breites Feld von Erfahrungen zurückgreifen.


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Der Index wird täglich ermittelt und einmal monatlich für den laufenden Monat fixiert. Er basiert auf den anonymisierten Suchaktivitäten der ICT-Reseller bei Verwendung der Concerto-Software-Suite und repräsentiert damit ein jährliches Einkaufsvolumen von ca. 1,5 Milliarden Franken bzw. rund 20’000 Abfragen pro Tag.
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