Die Digitalisierung frisst die eigenen Kinder
Der Einfluss der Hardware schwindet, während Cloud-Dienste und Internet-Anwendungen dominieren. Grosse Player wie AWS, Google Cloud und Microsoft Azure beherrschen die Szene und Künstliche Intelligenz verändert das Spielfeld. Schnittstellenmanager werden entscheidend, um individuelle Nutzungserlebnisse zu schaffen, während ICT-Reseller sich neuen Herausforderungen stellen müssen.
Wie zu erwarten war, ist der Juli als Ferienmonat saisonal immer eher schwach. Ein Minus von -11% zum Vormonat überrascht also nicht. Besonders ist aber diesmal die bereits schwache Starthöhe aus den Vormonaten. Zum Vorjahr fehlen allein im Juli -16% und zum Vorjahresumsatz kumuliert sich damit der Rückstand auf bereits -14%.
Ein Blick auf die Preisentwicklung zeigt denn auch, dass die Absatzkanäle die vorhandene Ware aktuell nicht aufnehmen können. Die Preise fallen auf 12 Monatssicht um satte -10% und selbst auf 2 Jahre sinken sie um -3%. Statt einer Inflation ist im ICT-Hardware-Sektor aktuell eher eine Deflation zu beobachten und dies nicht nur weil eine gesamtwirtschaftliche Rezession im Anflug ist.
Hardware verliert an Relevanz
Mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. Router, verkaufen sich ICT-Artikel nur noch schwer. Ein Austausch aus Performance-Gründen ist immer seltener nötig. Weder locken neue Funktionalitäten noch höhere Leistungen. Auch steigende Reparaturaufwendungen werden akzeptiert und ein Wechsel auf ein neues Endgerät macht weder dem User noch dem IT-Service-Kollegen Spass. Alle zögern einen Wechsel heraus, bis es nicht mehr anders geht.
Die Zeiten in denen man mit einem neuen Rechner, Smartphone, Bildschirm oder selbst Headset ein besseres Leben hatte oder sich als «Tech-Leader» profilieren konnte sind vorbei. Selbst die Early-Adapters von früher nutzen ihre iPhones der Generation 8,9 und X bis diese kaputt gehen. Und das kann dauern.
IT-Ausgaben verlagern sich
Cloud und Internet-Broser-Anwendungen haben sich ganz klar durchgesetzt. Lokale Hardware und selbst lokale Software sind auf dem Rückzug. Immer weniger grosse globale Unternehmen liefern immer mehr der für die digitale Transformation nötigen Services und das über das Netz.
AWS, Google-Cloud und Microsoft Azure wachsen jeweils mindestens zweistellig auf bereits hohem Niveau. Allein diese drei Konzerne absorbieren spürbar immer mehr Anteile der IT-Budgets in den Unternehmen, so dass für andere IT-Lieferanten immer weniger übrig bleibt.
Mit dem Durchbruch der AI in den Alltag verschieben sich zusätzlich die Prioritäten. Programmierer müssen und können effizienter arbeiten. Früher aufwendig zu entwickelnde Anwendungen können jetzt mit wenigen Prompts kostenlos via chatGPT adhoc generiert werden. Der Co-Pilot von Github beschleunigt zusätzlich.
Die IT-Manager gehen deshalb jetzt schon über die Bücher und die IT-Budgets 2024 werden wohl eine weitere Reduktion verkraften müssen. Trotz oder gerade wegen der fortsetzenden digitalen Transformation, die auch vor der IT selbst nicht Halt macht.
Statt IT- nun Schnittstellenmanager gefragt
Wie die Automobilindustrie ist die IT-Industrie inzwischen global industrialisiert und wird zunehmend dominiert von wenigen Global-Playern. Nur diese sind noch in der Lage, die Systemkomplexität halbwegs zu beherrschen und dabei eine akzeptable Kostenstruktur anbieten zu können.
Dezentral und am End-Kunden sind immer mehr nur noch der Betrieb und die Gesamtkonfiguration sicher zu stellen. Produkte und Software werden immer mehr für alle Kunden weltweit zentral entwickelt und betrieben. Was dezentral bleibt ist das Schnittstellenmanagement zum End User.
Das finale Endgerät, die Konnektivität zum Web und zur Applikation müssen zusammen mit dem Nutzungsprozess und der Integration aller Teilsysteme zu einem individuellen Nutzungserlebnis organisiert, geschult, koordiniert und am Leben gehalten werden.
Für den ICT-Reseller bedeutet das, sich immer mehr auf das Management technischer aber auch der Mensch-Schnittstelle zu fokussieren. Hier werden langfristig weiter grosse Herausforderungen zu meistern sein. Welche Skills bei welchen Margen dafür nötig sind, wird sich zeigen.
Thomas Czekala
Senior Partner
ProSeller AG
thomas.czekala@proseller.ch
Thomas Czekala ist Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat in diversen Rollen als Controller und Data Analyst gearbeitet. So z.B. als Group Controller der Scout24 AG und CFO der JobScout24 International AG. Er ist als Gesellschafter, Beirat, Verwaltungsrat und Consultant in verschiedenen Branchen aktiv und hat dadurch Einsicht in viele aktuelle Trends.
Zum ICT-ReSeller-Index
Der Index ist ein Service der ProSeller AG, die mit der Applikation Concerto unangefochten der grösste B2B Online-Marktplatz für ICT-Artikel in der Schweiz ist. Der Index wird täglich ermittelt und einmal monatlich für den laufenden Monat fixiert. Er basiert auf den anonymisierten Beschaffungsaktivitäten der ICT-Reseller bei Verwendung von Concerto und repräsentiert damit ein jährliches Einkaufsvolumen von ca. 1,2 Mrd. CHF bzw. rund 20 TSD Abfragen pro Tag. Concerto bündelt und harmonisiert täglich die aktuellen Daten von mehr als 60 angeschlossenen Distributoren mit über 1.3 Mio. verfügbaren Artikeln von über 7’000 Herstellern. Für über 2‘300 Einkäufer und damit 90% aller relevanten Schweizer ICT-Reseller stellt „Concerto“ damit seit 2001 das digitale Rückgrat ihres Ein- und Verkaufs von ICT-Artikeln dar.
Tagged ICT-Index, ICT-ReSeller-Index, Business to Net, Digitalisierung