Einkauf wird wichtiger als Verkauf
Der ICT-Index für Juli ist zum Vormonat um -11% gesunken, was der üblichen Sommer-Saisonalität entspricht. Im Vorjahr war dieser Knick mit -6% leicht geringer aber der Juni 2022 hatte durch Auflösung offener Auftragsbestände ein erhöhtes Geschäftsvolumen. Das erklärt die etwas höhere Fallhöhe zum Vormonat Juni auf Juli.
Mit einem Index-Wert von 52 ist der Juli 2022 um -9% niedriger als sein Vorjahreswert, denn der Absatz ist spürbar gesunken. Auf Umsatzebene liegt 2022 mit kumuliert -2% fast gleich auf zum Vorjahr. Die Differenz lässt sich durch Preissteigerungen erklären, welche auch beim Schweizer ICT-Reseller-Sortiment inzwischen zum wichtigen Faktor werden.
In den letzten 12 Monaten (Juli 21 – Juli 22) sind die durchschnittlichen Preise für ICT-Artikel um 8% spürbar gestiegen. Hier ist im Juli 2022 wieder eine deutliche Beschleunigung zu höheren Preisen zu beobachten, nachdem die 10 Monate davor preislich eher stabil gewesen waren. Blickt man 2 Jahre zurück, dann sind seitdem rund 23% Preissteigerungen für ICT-Artikel zu verzeichnen.
Die für höhere Preise verantwortlichen Ursachen sind inzwischen gut bekannt und die Zeiten günstiger Produkte durch globale Arbeitsteilung und beliebig verfügbare Ressourcen sind vorbei:
- Corona und der Ukraine-Krieg zeigen Folgen und haben überraschend schnell etablierte Lieferketten zerlegt. Weitere politische und gesellschaftliche Änderungen sind z.B. mit Taiwan und der Affengrippe bereits am Horizont. Unternehmen sind also zur Deglobalisierung gezwungen, inkl. dem Aufbau von Sicherheitsbeständen, um weiter lieferfähig zu bleiben. Sourcing-, Prozess- und Logistikumbau sind kurzfristig nötig, was alles deutlich mehr Geld kostet.
- Der demografische Wandel setzt jetzt immer stärker ein. Erste schmerzhafte Lücken in diversen Rollen und Funktionsbereichen sind nur der Anfang. Im Arbeitsmarkt muss zunehmend auf die Erwartungen der Arbeitnehmer eingegangen werden, denn sie werden in Zukunft immer schwieriger zu finden sein. Früher waren Arbeitsplätze das knappe Gut. Damit wird der Faktor Arbeit immer teurer.
- Kaum ein Geschäftsmodell ist heute mehr auf Dauer stabil oder kann auf längere Zeit geplant werden. So zwingt der Klimawandel fast alle Branchen direkt dazu, ihre Abläufe zu „decarbonisieren“. Auch werden die Möglichkeiten der Digitalisierung an immer mehr Stellen sichtbarer, so dass selbst grosse Unternehmen wie Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen über die Bücher gehen müssen. Organisationen in einer Dauer-Transformations-Schleife sind aber per Definition nicht effizient, Transformationsarbeit kostet viel Geld und Zeit.
- Die Verteuerung von Geld durch steigende Zinsen sorgt zusätzlich für Druck auf viele Investitionen. Die Notenbanken wollen so bewusst die seit über 14 Jahren auf Hochtouren laufende Wirtschaft abkühlen, die gigantischen Schuldenberge durch Inflation abbauen. Sie steuern aktiv und gewollt in eine überfällige Rezession. Auch die Schweiz wird sich hier nicht vollständig abkoppeln können.
Konsequentes Handeln ist angesagt
Es empfiehlt sich, die für die nächsten Jahre und Jahrzehnte abzeichnenden veränderten Rahmenbedingungen in die Budget-Planungen für 2023 und die folgenden Jahre zu berücksichtigen. Auch ist vielen Unternehmen dringend dazu geraten, ihre bestehenden Strukturen kritisch zu prüfen. Rund 60% aller Projekte sind nachweislich sinnlos und es wird davon gesprochen, dass in vielen Strukturen 30% aller Mitarbeiter kaum zur Wertschöpfung beitragen.
Wer Zuviel von der „Alten-Zeit“, d.h. bewährte Strukturen vor den neuen Rahmenbedingungen, mit in die „Neue-Zeit“ mitnehmen will, der riskiert gänzlich zu scheitern. Und nur wenige Unternehmen haben den Luxus „systemrelevant“ zu sein wie die Credit Suisse. Das zukünftig wieder teurere Geld wird unrentable Unternehmen und Geschäftsbereiche sehr schnell in existentielle Nöte bringen und aussortieren.
Alte Tugenden sind jetzt gefragt
Eigentlich waren die letzten 14 Jahre das historisch gesehen besondere Ereignis und wir gehen jetzt wieder über in die im Prinzip normalen Wirtschaftsmechanismen. Geld hat seinen Preis (Zinsen), Just-in-Time ist vorbei und mit unerwarteten Ereignissen muss jeder Manager umgehen können (Risikomanagement). Hardware ist nicht mehr zu stabilen Preisen immer und überall in jeder Qualität verfügbar. Ohne Hardware geht es aber in unserer hochgradig vernetzten Welt immer weniger. Mit zunehmender Unsicherheit werden ein professioneller Einkauf und stabile Warenwirtschaft zu hochgradig strategischen Komponenten, wichtiger als Vertrieb und Marketing. Noch vor 5 Jahren hätte mich jeder für diese Einschätzung ausgelacht.
Thomas Czekala ist Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat in diversen Rollen als Controller und Data Analyst gearbeitet. So z.B. als Group Controller der Scout24 AG und CFO der JobScout24 International AG. Er ist als Gesellschafter, Beirat, Verwaltungsrat und Consultant in verschiedenen Branchen aktiv und hat dadurch Einsicht in viele aktuelle Trends.
Zum ICT-ReSeller-Index
Der Index ist ein Service der ProSeller AG, die mit der Applikation Concerto unangefochten der grösste B2B Online-Marktplatz für ICT-Artikel in der Schweiz ist. Der Index wird täglich ermittelt und einmal monatlich für den laufenden Monat fixiert. Er basiert auf den anonymisierten Beschaffungsaktivitäten der ICT-Reseller bei Verwendung von Concerto und repräsentiert damit ein jährliches Einkaufsvolumen von ca. 1,2 Mrd. CHF bzw. rund 20 TSD Abfragen pro Tag. Concerto bündelt und harmonisiert täglich die aktuellen Daten von mehr als 60 angeschlossenen Distributoren mit über 1.3 Mio. verfügbaren Artikeln von über 7’000 Herstellern. Für über 2‘300 Einkäufer und damit 90% aller relevanten Schweizer ICT-Reseller stellt „Concerto“ damit seit 2001 das digitale Rückgrat ihres Ein- und Verkaufs von ICT-Artikeln dar.
Tagged Digitalisierung, ICT-Index, ICT-ReSeller-Index, Business to Net