Der Mai 2018 liegt mit schwachen 55 Punkten um -14% unter April. Auch weist der diesjährige Mai im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 19% auf. Der markant tiefe Wert setzt den bekannten Rückgang im Handelsgeschäft der ICT-Reseller fort. Aktiven Einfluss könnte den Feiertagen, dem guten Wetter und dem DSGVO zugeschrieben werden. Über kurz oder lang wird jedoch nicht der Produktverkauf über den Erfolg entscheiden. Wer sich digitalisiert, aktiv vernetzt und den Kundenbedürfnissen anpasst, wird das Rennen machen.

ICT ReSeller Index Mai 2018 / Schweiz gesamt

Im Jahr 2018 fielen Pfingsten und Christi Himmelfahrt in den Mai, während im Vorjahr nur Christi Himmelfahrt den Arbeitsrhythmus im Mai unterbrach. Bis und mit Mai schlagen nun ein kumulierter Index-Verlust von 16% zu Buche.

Inhaltlich war der Mai durch die neue Datenschutzrichtlinie der EU (DSGVO) geprägt, welche am 25. Mai 2018 in Kraft trat. Viele Schweizer Firmen haben erst kurz vor Inkraftsetzung dieser neuen Rahmenbedingungen realisiert, dass sie auch als Schweizer Unternehmen betroffen sind und handeln müssen. Da sich diese Thematik eher auf die Gebiete Software, Content und Prozesse konzentriert, wurden sicher auch diverse Entscheidungen bezüglich neuer IT-Hardware von Mai auf später vertagt.

ICT ReSeller Index Mai 2018 / Schweiz kumuliert

Auch im Juni wird die Diskussion um die DSGVO in der EU und die dafür nötigen Massnahmen bei vielen IT-Verantwortlichen auf dem Tisch liegen. Andere Themen werden folglich dafür Platz machen müssen wie zum Beispiel aufschiebbare IT-Einkäufe. Zudem wird sich die im Juni beginnende Fussballweltmeisterschaft nicht unbedingt positiv auf die Handelsgeschäfte beim Reseller auswirken, so dass aktuell auch der Juni nicht mit Rückenwind startet.

Händler noch nicht alle transformiert

Die digitale Transformation führt zwangsweise zu einer Verschmelzung von früher klar getrennten Produktkategorien. Waren früher Bücher, Zeitungen, Fernsehen, Radio, Individualmusik und Telefonie separate, technisch abgrenzbare Medien, so sind sie heute im Internet auf einer Plattformtechnologie versammelt.

Geschäftsmodelle mit hohem Daten- und Interaktionsanspruch wie der Handel und das Finanzwesen werden ebenfalls, einem schwarzen Loch gleich, in das Internet hineingesogen. Die innovativen Vorreiter haben deshalb bereits früh begonnen, ihre Geschäftsmodelle auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten und den klassischen Produktfokus zu verlassen.

Bereits der erste Apple-Store im Jahr 2001 hatte eine Ecke für Computer-Anwendungen für Kinder und Bildbearbeitung. Die dafür nötigen Produkte wurden schon damals zu Anwendungen zusammengefügt. Apple war so offen, auch andere Hersteller im Sortiment zu führen, um dem Anwender das bestmögliche Erlebnis zu liefern. Wohin diese Ausrichtung das Unternehmen geführt hat, ist legendär. Swisscom hat nun ebenfalls einen ersten Store nach Vorbild von Apple eröffnet und versucht verlorenes Terrain wieder gut zu machen.

Wie produktverliebt andere Händler sind, zeigt ein Besuch im Retail bei Media Markt. Wer einen Fernseher will, geht in die Fernsehabteilung. Wer dann dazu besser hören will, der muss in der Abteilung Surround-Systeme vorbeischauen. Leider kann der Verkäufer nur entweder oder beraten und auch die Produkte sind nicht als Systemlösung präsentiert.

Etliche ICT-Reseller sind hier natürlich schon besser aufgestellt und sehen die Situationen und Bedürfnisse ihrer Kunden ganzheitlicher. Trotzdem haben viele Reseller noch einen weiten Weg zu gehen, um sich vom klassischen Produktverkäufer zum Gastgeber der Digitalisierungsparty zu entwickeln. Denn wie im Beitrag „Der Channel ist tot, es lebe der digitale Marktplatz“ schon erwähnt, wird die Vernetzung mit den Kunden via „Gartenparty“ immer wichtiger.

Gärtner oder Elefantenjäger?

Es gibt noch sehr viele Reseller, die sich nur widerwillig von der gewohnten Produktperspektive lösen wollen. Als Konsequenz werden vermeintliche Kleinstgeschäfte wie die Supplies vernachlässigt, auch wenn sich hier die höchste Kundenbindung am einfachsten herstellen liesse.

Lieber werden Ausschreibungen für Grossprojekte bedient, statt sich durch angenehme und effiziente Service-Prozesse beim Kunden zu empfehlen. Diese sind  jedoch durch Einkaufsprozesse oft margenschwach und erfordern viel Vertriebsaufwand. Wer in die Zukunft schauen möchte, sollte sich das Beispiel der Nespresso Kapsel ansehen. Nespresso erreichte, dass die Kaffeemaschine zum Nebenprodukt degradiert und der Content mit Kapseln, Bestell-App und Community zu einem Erfolgsmodell wurde.

Für den Schweizer ICT-Reseller könnten unter anderem Service-Modelle zum internationalen Datenschutzmanagement, aber auch mutige IT-as-a-Service-Konzepte ähnliche Potentiale liefern. Früher waren die Menschen Jäger und Sammler, bis sie begriffen wie Ackerbau und Viehzucht zu deutlich höherem Wohlstand führen konnte. Wir können gespannt sein, wann die ICT-Vertriebler zu „Use Case Relationship-Managern“ werden.

 

Thomas Czekala, Verwaltungsrat ProSeller AGThomas Czekala
Verwaltungsrat ProSeller AG

Bericht IT-Markt
Bericht CEToday

 

Über den Autor: Thomas Czekala ist Partner, Gesellschafter und Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat zudem Mandate verschiedener anderer Firmen im Umfeld von Digitalisierung, Marktplätzen und weiteren innovativen Trends. Zusammen mit dem ProSeller-Team baut er für Kunden neue Marktplätze auf und arbeitet an der Weiterentwicklung des firmeneigenen ProSeller B2B E-Commerce-Marktplatzes auf Concertopro.ch, der inzwischen ein jährliches Einkaufsvolumen von über 1,5 Milliarden Franken verarbeitet. Er berät und hält Vorträge zu Fragen der Digitalisierung und Transformation. Als zertifizierter SAFe 4 Agilist und ehemaliger Manager und Gesellschafter der Scout24-Gruppe beherrscht er die modernen Projektmanagement- und Führungsmethoden im unsicheren Innovationsumfeld und kann auf ein breites Feld von Erfahrungen zurückgreifen.


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Der Index wird täglich ermittelt und einmal monatlich für den laufenden Monat fixiert. Er basiert auf den anonymisierten Suchaktivitäten der ICT-Reseller bei Verwendung der Concerto-Software-Suite und repräsentiert damit ein jährliches Einkaufsvolumen von ca. 1,5 Milliarden Franken bzw. rund 20’000 Abfragen pro Tag.
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