Mal ganz ehrlich, wer kann sich schon vorstellen, was ein Fisch denkt? Ganz ähnlich geht es uns mit unseren Kunden. Wer hat selber schon bei sich anonym als Kunde auf der anderen Seite gestanden? Kaum jemand nimmt sich die Zeit dafür – man hat Wichtigeres zu tun. Wenn dann das Geschäft schlechter läuft, wird einfach mehr gearbeitet. Das ist dann der Anfang vom Ende. Mein Lieblingsspruch zu diesem Verhalten ist: „Leider konnten wir nicht so viele Bäume fällen wie versprochen, weil wir vor lauter Bäume fällen, keine Zeit hatten, die Axt zu schleifen.“

Wer professionell eine Transformation, also eine wesentliche Veränderung der Situation durchziehen will, der muss sich mit seinen Kunden auseinandersetzen – zum einen wollen und zum anderen können. Er muss sich also bewusst die nötige Zeit dafür nehmen und das erfordert Disziplin. Jäger sitzen oft stundenlang auf ihrem Hochsitz und schauen in den Wald, ohne einen Schuss abzugeben.

Präparieren Sie den richtigen Wurm für Ihren Fisch

Im Gegensatz zum Jäger haben wir es in unseren Organisationen viel leichter. Wir können mit unseren Kunden sprechen, wir können sie beim Kaufen unserer Leistungen begleiten, wir können sie beobachten, befragen und wir können sie heutzutage sogar statistisch auswerten über „sensorbasiertes in process Monitoring“. All diese Techniken helfen aber nicht, wenn man seinen Kunden gar nicht kennt. Wer seine Leistungen nicht konkret auf genau definierte Kundengruppen ausrichtet, der kann es mit der digitalen Transformation gleich sein lassen. Wer denkt, dass „Banken“, „Industriefirmen“, „Schulen“ usw. seine Kunde sind, der hat schon verloren. Zurück auf Start. Kunden sind immer Menschen in bestimmten Rollen und Situationen. Je besser wir diese Rollen und Situationen kennen, desto besser können wir den Wurm präparieren. Anders als beim Fisch können unsere Kunden ja auch Spass am Wurm haben.

Früher konnte man Kunden über Massenmarketing und Standardprodukte noch abholen. Mit der digitalen Transformation gehen wir in Richtung 1:1 Marketing. Bevor man nun also seine kostbare Zeit mit bekannten alten Kunden verbringt und die fragt, wie sie das Kundenerlebnis bei uns finden, ist eine Frage vorher zu beantworten: Wie sieht mein Kunde, von dem ich leben will, morgen aus? Wie viele davon gibt es? Wie denkt er? Was treibt ihn an? Wie verbringt er seinen Tag? Wo kann ich ihn treffen und sprechen?

Genau hier braucht es Zeit und Demut. Jeder Jäger weiss, dass sich beobachten lohnt, will man nicht mit der Schrotflinte wie ein verrückter in den Wald hinein schiessen. Wer gekonnt mit einem Schuss zum Ziel kommen will, der muss seinen Kunden sehr gut kennen, wissen was dieser will und die dafür nötigen Dinge vorbereitet parat haben. Konkret sind also die Prozesse des Daily Business auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten.

Digitale Transformation im Daily Business

Um sein Tagesgeschäft nachhaltig zu transformieren, muss der Unterschied zwischen „Daily Business“ und „Prozess in Überarbeitung“ gelebt werden. Im Tagesgeschäft laufen Prozesse nach dem Prinzip „Input -> Throughput -> Output“ ab. Für eine grundsätzliche Überprüfung der Situation muss aber jeder Prozess seine Daseinsberechtigungsfrage beantworten: Für wen lieferst Du welchen „Output“? Wie erarbeitest Du diesen „Throughput“? Was braucht es dafür an „Input“? Transformation heisst damit insbesondere sich vom linearen Vorwärtsdenken zu verabschieden. Digitale Transformation heisst zusätzlich, seine kleinen wie die grossen Prozesse mit den heute verfügbaren technischen Möglichkeiten zu betreiben. Sowohl im Output, wie im Throughput als auch im Input.

Thomas Czekala, Verwaltungsrat ProSeller AGThomas Czekala

 

Über den Autor: Thomas Czekala ist Partner, Gesellschafter und Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat zudem Mandate verschiedener anderer Firmen im Umfeld von Digitalisierung, Marktplätzen und weiteren innovativen Trends. Zusammen mit dem ProSeller-Team baut er für Kunden neue Marktplätze auf und arbeitet an der Weiterentwicklung des firmeneigenen ProSeller B2B E-Commerce-Marktplatzes auf Concertopro.ch, der inzwischen ein jährliches Einkaufsvolumen von über 1,5 Milliarden Franken verarbeitet. Er berät und hält Vorträge zu Fragen der Digitalisierung und Transformation. Als zertifizierter SAFe 4 Agilist und ehemaliger Manager und Gesellschafter der Scout24-Gruppe beherrscht er die modernen Projektmanagement- und Führungsmethoden im unsicheren Innovationsumfeld und kann auf ein breites Feld von Erfahrungen zurückgreifen.