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Fokussierung, Bereinigung, harte Schnitte und gute Kommunikation. Der Schnellere ist der „G’schwindere“ und wird das Rennen machen.

Der abgeschlossene Monat April stellt für mich den Beginn einer neuen Phase dar. Statt steigender Preise sinken diese nun spürbar um -2,7% und trotzdem ist die Nachfrage bei den ICT-Resellern erschreckend niedrig. Es herrscht Ruhe im Handel, und das, obwohl in den Unternehmen die Hektik immer weiter zunimmt. In meinen Monatsberichten habe ich seit längerem auf die sich grundsätzlich verändernden Rahmenbedingungen hingewiesen. Von daher bin ich nicht überrascht, auch wenn ich mich gerne getäuscht hätte.

Interne Diskussionen lassen Arbeitslast steigen

Vielen Führungskräften wird immer mehr klar, dass der aktuelle Zustand ihres Verantwortungsbereiches nicht der ist, den es für eine erfolgreiche Zukunft braucht. Viele Unternehmen und Organisationen beschäftigen sich und ihre Mitarbeiter damit, intern nach neuen zukunftstauglichen Regeln, Leitplanken, Prozessen und Zielen zu suchen. Derartige Fragestellungen erzeugen auf allen Ebenen Unsicherheit und Zukunftsangst. Als Folge davon steigt der Gesprächsbedarf noch zusätzlich.

Die Zeit, die mit internen Diskussionen und Workshops verwendet wird, kann nicht operativ produktiv gearbeitet werden. Erst recht nicht, wenn die generelle Richtung fehlt. Projekte werden verschoben, ganz gestrichen oder reduziert. Bestellt wird nur noch das nötigste. Die niedrigen Zahlen des ICT-Reseller-Index ohne nennenswerte Ausschläge nach oben oder unten sprechen für sich. Wir sind am Boden angelangt.

Bisher erfolgreiche Strategien sind am Ende

Eine ganze Reihe von Geschäftsmodellen stecken in grundsätzlichen Schwierigkeiten. Die sich gerade als Sanierungsfälle darstellenden Banken stellen dabei nur die Spitze des Eisberges dar. Die Energieversorgung ist zwar kurzfristig gesichert, aber muss in den nächsten Jahren auf neue Technologien und nachhaltige Energieträger umgestellt werden. Gleichzeitig sind die meisten Immobilien grundsätzlich zu sanieren, stellen sie doch eine der grössten Erzeuger von CO2 dar.

Nebenbei suchen Innenstädte und Büroviertel nach neuen Positionierungen, um der inzwischen neuen Digitalen-Remote-Realität zu begegnen. Es braucht zukünftig weniger Flächen im stationären Handel und für Büros. Der Leerstand steigt kontinuierlich. Gleichzeitig waren diese Immobilien aber für die Pensionskassen seit Jahren die Anlageklasse erster Wahl, um sicher unsere Ersparnisse in den Pensionskassen für die spätere Rente anzulegen. Nun müssten diese Anlagen in den Bilanzen der Versicherungen eigentlich abgeschrieben werden. Solche Entscheidungen will aber keiner treffen.

Parallel dazu gehen ab 2023 nun viele Arbeitstätige der Baby-Boomer-Generation in Rente und reissen qualitativ und quantitativ immer grösser werdende Löcher in die Teams.

An wen also sollen die Aufgaben übergeben werden? Das Recruiting von Nachfolgern wurde vielfach zu spät gestartet und wurde zu optimistisch eingeschätzt. Diese Löcher werden in den nächsten 20 Jahren nun immer grösser. Zusätzlich wird aufgrund der zunehmenden Teilzeitverträge, steigender Fluktuation und steigenden Krankenquoten generell immer weniger gearbeitet. Es fehlt an immer mehr Stellen die nötige «Workforce» für die anstehenden Aufgaben.

Digitalisierung hat seine Versprechen bislang nicht gehalten

Der demografische Wandel und die Trends rund um «New-Work» waren seit langem bekannt und sichtbar. Die Hoffnung lag auf der Realisierung von Effizienzsteigerungen durch immer mehr Digitalisierung. Leider hat sich diese insgesamt zu oft als leeres Versprechen herausgestellt. Nach Studien der grossen Beratungsfirmen scheitern über 60% aller Projekte zur Digitalisierung, bzw. sind gescheitert. Die Ergebnisse der «erfolgreichen» Projekte sind in Summe leider auch zu oft kaum werthaltig.

In Europa und den USA ist seit über 20 Jahren volkswirtschaftlich kaum eine Produktivitätssteigerung der Arbeit zu beobachten gewesen. Trotz digitaler Tools und Prozesse ist der Output pro Arbeitsstunde kaum gestiegen. Die Arbeit wurde nur in andere Bereiche rund um IT und Projektmanagement verlagert. Auch aus diesem Grund klemmt es gerade bei dem Start neuer Projekte. Es fehlt in vielen Bereichen an erfolgreichen Referenzprojekten, die Lust auf mehr machen würden.

Darüber hinaus ist die neue digitale Welt deutlich dynamischer, kurzatmiger, hektischer und durch einen überall anzutreffenden digitalen Flickenteppich gekennzeichnet. Die totale digitale Vernetzung über verschiedene Anwendungen und Ländergrenzen hinweg erzeugt zunehmend eine unübersichtliche Komplexität. Zusätzlich sind komplexe Strukturen per Definition kaum zu steuern, sondern verhalten sich chaotisch.

An diesem Zustand haben immer weniger Menschen Spass und klinken sich aus. Digital Detox ist ein Trend, den es zu beobachten gilt. Immer mehr Menschen verzichten bewusst auf die vielen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten oder schränken sich freiwillig ein. Telefone ohne «Smart» sind ein wachsendes Produkt-Segment.

Gerade in den Grosskonzernen stehen deshalb immer mehr IT-Verantwortliche vor nicht mehr zu bewältigenden Fragen. Die jetzt nötige aber wohl unmögliche technische Herauslösung der Schweizer Credit Suisse aus dem CS-Konzern ist da nur eines von vielen Beispielen. An immer mehr Stellen geht es plötzlich gar nicht mehr. Bei mir war über mehrere Tage die UBS-Banking-App ausgefallen. Man wisse darum und würde es lösen. Ein Leben ohne Banking war für mich eine neue Erfahrung. Und es geht.

Gut gebrüllt, aber was ist nun zu tun?

Weniger ist mehr, denn der Mensch ist in seiner intellektuellen Kapazität begrenzt. Es gab seit über 10’000 Jahren kein Update oder Release-Wechsel für das menschliche Gehirn. Unser Stammhirn funktioniert im wesentlichen gleich wie vor Urzeiten.

Führungskräften und Entscheidern ist zu empfehlen, ihre Verantwortungsbereiche wieder einfacher, übersichtlicher und klarer zu organisieren. Bei Testfragen musste ich sehr oft feststellen, dass viele Führungskräfte nicht den Mehrwert oder Sinn ihrer Bereiche erklären konnten. Leider haben sie die Frage danach bereits sehr oft als unnötig zurückgewiesen. Der Fisch stinkt vom Kopf.

Jeder muss in der Lage sein, für seine Funktion und seinen Bereich einen «Elevator Pitch» parat zu haben. Dies gilt für alle im Team und muss gelernt und geübt werden. Wenn jeder im Team weiss, wohin die Reise geht und was für den Erfolg nötig ist, dann kann jeder sein eigenes Handeln selbst ausrichten. Dann braucht es weniger Mitarbeiter, die als «Retter» herumlaufen und weniger Führungskräfte, die mit Mikromanagement den Laden auf Kurs halten müssen.

Bei der Erarbeitung dieser «Elevator Pitches», gilt es sich zu fokussieren. Nur so kann man seine Teams und Kollegen überhaupt abholen. Denn nur wenn die anderen wissen, was man selbst macht und warum, können diese mit einem zusammenarbeiten. Das gleiche gilt für die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern. Nur wer sich klar positioniert und seinen Mehrwert abgrenzbar erklären kann, wird zukünftig auch ein verlässlicher Partner sein. Wer alles verspricht oder sich wachsweich hält, wird später zum Problemfall in der Zusammenarbeit.

Als direkte Folge können dann Inhalte, Themen, Leistungen, Tools und Ziele direkt gestrichen werden. Was nicht für die Ziele, Kunden und dem Versprechen im «Elevator-Pitch» gebraucht wird, kann und muss weg. Alle müssen sich darauf einstellen, zukünftig mit nur noch 60% der personellen Schlagkraft in seinen Teams die Arbeit machen zu können.

Nur wer das kann, wird zukünftig auch in der Lage sein Versprechen zu halten. Zuverlässigkeit ist in der anstehenden kurzlebigen, hektischen und unsicheren Zeit einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Wahrscheinlich sogar der wichtigste, sonst laufen einem die jetzt noch vorhandenen Mitarbeiter auch noch weg. Andere Mütter haben auch schöne Töchter, oft sogar noch schönere.

Thomas Czekala
Senior Partner
ProSeller AG
thomas.czekala@proseller.ch


Thomas Czekala ist Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat in diversen Rollen als Controller und Data Analyst gearbeitet. So z.B. als Group Controller der Scout24 AG und CFO der JobScout24 International AG. Er ist als Gesellschafter, Beirat, Verwaltungsrat und Consultant in verschiedenen Branchen aktiv und hat dadurch Einsicht in viele aktuelle Trends.

Zum ICT-ReSeller-Index
Der Index ist ein Service der ProSeller AG, die mit der Applikation Concerto unangefochten der grösste B2B Online-Marktplatz für ICT-Artikel in der Schweiz ist. Der Index wird täglich ermittelt und einmal monatlich für den laufenden Monat fixiert. Er basiert auf den anonymisierten Beschaffungsaktivitäten der ICT-Reseller bei Verwendung von Concerto und repräsentiert damit ein jährliches Einkaufsvolumen von ca. 1,2 Mrd. CHF bzw. rund 20 TSD Abfragen pro Tag. Concerto bündelt und harmonisiert täglich die aktuellen Daten von mehr als 60 angeschlossenen Distributoren mit über 1.3 Mio. verfügbaren Artikeln von über 7’000 Herstellern. Für über 2‘300 Einkäufer und damit 90% aller relevanten Schweizer ICT-Reseller stellt „Concerto“ damit seit 2001 das digitale Rückgrat ihres Ein- und Verkaufs von ICT-Artikeln dar.

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