ICT News AugustAugust 2023 spiegelt Phase einer Neuorientierung wider, oft noch verbunden mit Perspektiven- und Ratlosigkeit. Mit einem Wert von 33 Punkten im August fällt der ICT-Reseller-Index noch einmal um -25% zum bereits niedrigen Juli. Im Vorjahresvergleich liegt der Index sogar um -34% niedriger und zeigt deutlich die aktuell schlechte Marktsituation der Schweizer ICT-Reseller.

Auch die Preise fallen weiter. Über 12 Monate sind ICT-Artikel inzwischen um -7,5% günstiger geworden und selbst über 24 Monate sind die Preise um -2% gefallen. Keiner im Channel spricht mehr von Inflation. Die Lager sind voll und Rabatte üblich. Zusammen mit dem sinkenden Absatz bedeutet das eine deflationäre Entwicklung im Channel. Wer warten kann mit einer Bestellung tut das, denn tendenziell zahlt man später weniger.

IT-Projekte brauchen stabile Rahmenbedingungen

Insbesondere IT-Projekte leben von Ideen und Visionen. Fehlen diese oder gibt es keine klare Richtung, dann trauen sich weder Führungskräfte noch Fachverantwortliche Empfehlungen für Budgets abzugeben. Lange Jahre war die digitale Transformation treibende Kraft, ohne sich gross rechtfertigen zu müssen. Projektanträge mit Budgets in diese Richtung wurden wohlwollend bewilligt, solange die zur Digitalisierung adressierten Prozesse als Geschäftsmodell stabil erschienen.

Diese Basisannahmen wurden in den letzten Jahren an immer mehr Stellen hinterfragt oder mussten sogar aufgegeben werden. Just-In-Time-Konzepte und lange stabile Lieferketten sind mit dem Rollenwechsel von China und Russland inzwischen korrigiert werden. Neue alternative Prozesse müssen sich aber erst in der Praxis bewähren, bevor umfassende Digitalisierung und Automatisierung erfolgen können. Oft sind sie sogar noch gar nicht als finale Pilot-Prozesse installiert worden. Zu schnell verändern sich die Rahmenbedingungen.

Künstliche Intelligenz (KI) stellt Organisationsmodelle in Frage

Seit knapp einem Jahr ist darüber hinaus ein zusätzlicher Spieler auf der Bühne erschienen: mit chatGPT ist die künstliche Intelligenz im Alltag vieler Menschen angekommen. Andere KI-Anwendungen wurden dadurch stärker sichtbar. KI zieht mit einer Wucht in immer mehr Felder des beruflichen Alltags ein, wie zuletzt das Internet vor 25 Jahren als neue Kommunikationsdimension. Die hochgelobte Wissensgesellschaft steht mit KI zur Disposition. Von Bildung bis HR, Marketing, Vertrieb, Vertragswesen oder Software-Entwicklung, scheinen plötzlich viele Stellen oder sogar ganze Funktionsbereiche in grossen Zügen automatisiert durch KI möglich.

Neben den bereits oben genannten unsicheren externen Rahmenbedingungen muss sich nun fast jedes Management-Team auch noch um die Neuausrichtung der internen Organisation kümmern. Welche Tätigkeit wird welche Job-Community, wann durch oder mit der KI machen müssen, dürfen oder zumindest bei Bedarf können? Welche regulatorischen Leitplanken sind wann und wie zu berücksichtigen? Wie ist die Organisation mit welchen Rollen und Stellen auf diesen Umbruch umzustellen? Welche Geschäftspartner braucht es zukünftig nicht mehr, weniger oder zusätzlich?

Bereits stark automatisierte Basisprozesse und Services bleiben unberührt

Lange haben die Mitglieder des Channels erbost beklagt, dass ihre Margen durch Internet und globaler Transparenz bereits auf ein Minimum gesunken sind. Jetzt scheint dies aber eine Art Schutzschirm für den Handel zu sein, denn hier gibt es durch KI kaum noch Potentiale zu generieren. Der ICT-Reseller ist bereits gut aufgestellt für die Zeit mit KI, denn er stellt die Mensch-Schnittstelle zum Kunden dar. Über den ICT-Reseller laufen Beratung, Service und eben auch der margenschwache Handel. Keines der drei Beine des Resellers lassen sich gleichzeitig durch KI ersetzen. Nur wer alle drei Beine für den ICT-Kunden gleichzeitig anbieten kann, ist als Partner gefragt.

Kein Manager wird sich in diesen unsicheren Zeiten und den laufenden dringenden Organisationsfragen nun auch noch mit einer neuen Logik in der IT-Betreuung beschäftigen wollen. Es gilt also, als ICT-Reseller diese Sinnkrise der Kunden durchzustehen und für deren Neustart parat zu sein. Ist nicht toll, aber lässt sich nicht ändern. Die Aussichten sind aber gut, für den der bis dahin durchhält.

 

Thomas Czekala
Senior Partner
ProSeller AG
thomas.czekala@proseller.ch


Thomas Czekala ist Verwaltungsrat der ProSeller AG. Er hat in diversen Rollen als Controller und Data Analyst gearbeitet. So z.B. als Group Controller der Scout24 AG und CFO der JobScout24 International AG. Er ist als Gesellschafter, Beirat, Verwaltungsrat und Consultant in verschiedenen Branchen aktiv und hat dadurch Einsicht in viele aktuelle Trends.

Zum ICT-ReSeller-Index
Der Index ist ein Service der ProSeller AG, die mit der Applikation Concerto unangefochten der grösste B2B Online-Marktplatz für ICT-Artikel in der Schweiz ist. Der Index wird täglich ermittelt und einmal monatlich für den laufenden Monat fixiert. Er basiert auf den anonymisierten Beschaffungsaktivitäten der ICT-Reseller bei Verwendung von Concerto und repräsentiert damit ein jährliches Einkaufsvolumen von ca. 1,2 Mrd. CHF bzw. rund 20 TSD Abfragen pro Tag. Concerto bündelt und harmonisiert täglich die aktuellen Daten von mehr als 60 angeschlossenen Distributoren mit über 1.3 Mio. verfügbaren Artikeln von über 7’000 Herstellern. Für über 2‘300 Einkäufer und damit 90% aller relevanten Schweizer ICT-Reseller stellt „Concerto“ damit seit 2001 das digitale Rückgrat ihres Ein- und Verkaufs von ICT-Artikeln dar.

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